News Winter 2024

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Hormone sind die unsichtbaren Dirigenten unseres Körpers, die eine Vielzahl von Prozessen steuern und unser Leben in allen Lebensphasen beeinflussen.

Bioidentische, bioidente bzw. auch sog. humanidente Hormone sind Hormone, die in ihrer molekularen Struktur exakt mit unseren körpereigenen Hormonen übereinstimmen, an dieselben Rezeptoren binden und so ihre spezifische Wirkung entfalten können (Hormonderivate Hormone blockieren den Rezeptor). Bioidente Hormone sind dazu da, Mängel auszugleichen. Sie dürfen nur von ÄrztInnen verordnet werden und sind rezeptpflichtig. Trotz steigender Bekanntheit sind bioidente Hormone für viele immer noch ein großes Rätsel. Beim letzten VSLÖ- Stillfachtag gab uns Lydia Liebhart-Male (Hebamme, IBCLC) einen fundierten Einblick in dieses spannende und umfangreiche Thema.

Grundsätzliches

Hormone sind biochemische Botenstoffe, die von spezialisierten Zellen produziert werden und über die Blutbahn zu den Zellen der Zielorgane gelangen. Zu den wichtigsten Hormondrüsen gehören der Hypothalamus, die Hypophyse, die Schilddrüse, die Nebennieren, die Bauchspeicheldrüse und die Gonaden.

Bioidente Hormone tragen immer die gleiche Bezeichnung wie unser körpereigenen Hormone z.B. Pregnenolon, Estradiol, Estriol, Progesteron, Testosteron, DHEA, Cortisol oder Melatonin. Wesentlich ist auch: Bioident bedeutet nicht automatisch rein pflanzlich

Herstellung

Bei der Herstellung von Bioidenten Hormonen werden hauptsächlich Rohstoffe aus Pflanzen gewonnen, die die Basis, für die im Labor im mehreren chemischen Schritten hergestellten humanidenten Hormone, darstellen. Progesteron wird z.B. aus Diosgenin (sterioidales Sapogenin) der wilden Yamswurzel hergestellt.

Verabreichung

Bioidente Hormone können über Lipocaps (oral), Lozenges (buccal), Vaginalzäpfchen, Cremen & Gele (transdermal) oder Rektiolen verabreicht werden. Lipocaps sind orale Kapseln, in denen das Hormon in langkettige Fettsäuren eingearbeitet wird. Der Vorteil liegt in der genauen Dosierbarkeit und der möglichen geringen Dosierung, weil der „First Pass Effekt“ der Leber weitgehend umgangen wird. Lozenges haben den Vorteil, dass es zu einer schnellen Resorption und damit zu einem schnellen Wirkungseintritt kommt.

Cremen und Gele ziehen schnell ein, umgehen auch den Lebermetabolismus, daher sind auch hier kleine Wirkstoffmengen ausreichend.

Verwendung

Bioidente Hormone können beispielsweise hilfreich sein bei: Kinderwunsch, PCO-Syndrom, Endometriose, Prämenstruellem Syndrom, Libidomangel, Schilddrüsenunterfunktion, Hashimoto-Thyreoiditis, Schlafstörungen, Gedächtnisproblemen, chronischer Erschöpfung, Burnout, (postpartaler) Depression, Wechselbeschwerden, Migräne uvm.

Laborbestimmung

Hormonbestimmungen werden in der Regel durch Blut- und Speicheltests durchgeführt. Mittels Bluttest werden die Schilddrüsenhormone, Prolaktin, LH, FSH, ACTH und das Anti-Müller- Hormon bestimmt. Bei einem Speicheltest können Steroidhormone (Cortisol, Estradiol, Estriol, Progesteron, Testosteron, DHEA) und Melatonin bestimmt werden. Bei einer Speicheltestung ist einiges zu beachten. Beispielsweise wird empfohlen, am Vortag des Tests keine tierischen Fette und Eiweiße mehr zu essen und keine Kosmetika mehr zu verwenden. Auch Hormone dürfen transdermal 24 h vor der Testung und oral 48 h vor der Testung nicht mehr zugeführt werden. Außerdem wird mittels Checkliste genau protokolliert, was am Testtag gemacht bzw. gegessen wurde. Grundsätzlich wird empfohlen, die nach einiger Zeit folgenden Kontrolltests im gleichen Labor zu machen, da jedes Labor eigene Referenzbereiche hat.

Schwangerschaftshormone

Die Hormone Progesteron und Östrogene steigen in der Schwangerschaft an und helfen dabei, die Schwangerschaft aufrecht zu erhalten.

  •  Östrogene – fachsprachlich Estrogene (v.a. Estradiol E2, Estriol E3) führen zu vielen Veränderungen im Körper einer schwangeren Frau, um die Entwicklung des Babys zu unterstützen. Estradiol E2 stimuliert z.B. das Wachstum der Gebärmutter. Estriol E3 wird auch als „Schleimhauthormon“ bezeichnet – es stabilisiert u.a. die Uterusschleimhaut. Die Messung von Estriol wird häufig auch zur Überwachung der Schwangerschaft in der Pränataldiagnostik eingesetzt. Niedrige Werte können z.B. auf eine Wachstumsretardierung des Kindes hindeuten.
  • Progesteron senkt den Tonus der Uterusmuskulatur. Auch bereitet es wie Estrogen, die Brustdrüsen auf die Milchbildung vor. Ein Progesteronmangel kann zu Fehlgeburten bzw. Entwicklungsstörungen beim Baby führen. Bei Frühgeburtsbestrebungen kann bioidentes Progesteron bis zur 20. SSW vaginal verabreicht.

Nach der Geburt sinkt der Progesteronspiegel abrupt ab, weil Progesteron in der Schwangerschaft hauptsächlich in der Plazenta gebildet wird.

Progesteron, Schilddrüsenhormone (TSH, FT3, FT4) und Nebennierenrindenhormone (Cortisol/ DHEA) bilden ein komplexes System und beeinflussen sich gegenseitig. Ein Ungleichgewicht bzw. Hormonmangel kann zu Symptomen wie Müdigkeit, Infektanfälligkeit, Stressintoleranz, Depression usw. führen.

Umwelteinfluss

Problematisch sind sog. Umwelthormone bzw. Xenohormone. Sie gelangen von außen z.B. über Kosmetika, Ernährung etc. in den Organismus und stören dann die Wirkung der natürlichen Hormone, was auch zu Hormondysbalancen führen kann.

Co-Faktoren

Die Behandlung mit bioidenten Hormonen wird effektiv unterstützt durch: Mikronährstoffe wie z.B: Omega 3, Eisen, Vitamin B6, Vitamin B5, Vitamin C, Selen, Vitamin D3 Phythotherapie (Pflanzenheilkunde) wie z.B. Frauenmantel, Mönchspfeffer, Schafgarbe können den Progesteronspiegel beeinflussen. Salbei, Melisse, Baldrian, Hopfen, Beinwell können sich auf den Estradiolspiegel auswirken. Der DHEA/ Cortisolspiegel kann durch Ingwer, schwarze Johannisbeere oder Vogelmiere angeregt werden.

Darmgesundheit

Das Hormonsystem beeinflusst auch immer die Darmgesundheit/das Mikrobiom und umgekehrt. Der Darm bildet selbst eine große Anzahl von Hormonen und ist abhängig von einer guten mitochondrialen Leistung. Darmstörungen führen zu hormonellen Dysbalancen und Energiedefiziten.

Bioidente Hormone können in vielen Phasen des Lebens hilfreich sein – auch im Wochenbett und in der Stillzeit. Nach ausführlicher Beratung und nur nach ärztlicher Verordnung wird bei Bedarf das sog. bioidente mikronisierte (= signifikante Verkleinerung der Partikelgröße) Progesteron empfohlen, das angstlösend, beruhigend und entspannend wirkt. Auch DHEA sollte bei Bedarf als bioidentes, mikronisietes DHEA verabreicht werden.

Fazit: Hormone sind oft unser bester Freund, manchmal unser schlimmster Feind … Sie bleiben immer ein faszinierendes Thema in unserem Leben.