News Herbst 2019

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Die weibliche Brust entsteht in der 7. Woche der Embryonalentwicklung aus einer Verdickung der Epidermis, die von der Leistenregion bis in die Axilla beidseits angelegt ist. Diese Milchleiste bildet sich in weiterer Folge zurück, sodass normalerweise nur eine Brustanlage mit Mamille pro Seite übrigbleibt, welche etwa auf Höhe des 4. Zwischenrippenraumes liegt. Die Brustdrüse liegt sehr individuell zwischen 2.–6. Rippe. Die Ausbildung der Mamma in der 7. SSW – also vor der sexuellen Differenzierung – erklärt, warum auch bei Männern Brustdrüsen angelegt sind.

Die Anatomie der Brust
Der Drüsenkörper ist komplex aufgebaut und gliedert sich in bis zu 20 Lappen (Lobi), welche sich wieder in 30–80 Läppchen (Lobuli) aufteilen. In diesen teilt sich das Milchgangsystem in jeweils ca. 30 terminale Ductuli oder Acini auf. Die Milchgänge (Ductus lactiferi) verbinden die Lappen mit der Mamille. In der Mamille befinden sich zwischen 4 und 18 Milchgänge. Ca. 65% des Drüsengewebes befindet sich in einem Radius von drei Zentimetern um die Mamille. Die Nervenversorgung der Mamille kommt aus den anterioren und lateralen Hautästen des 3.–5. Intercostalnervs. Diese verlaufen entlang der Milchgänge zur Mamillenspitze. Sie bilden an der Mamillenspitze einen Plexus aus Nervenendungen, der essentiell ist, um dem Zentralnervensystem das „Saugen des Babys“ weiterzuleiten. Die Areola hat deutlich weniger Nervenenden als die Mamillenspitze. Das Drüsengewebe selbst ist kaum sensorisch innerviert.

Die Physiologie der Milchbildung
Berührung, Kälteeinwirkung oder sexuelle Erregung führen zu einer Kontraktion des muskulo-fibroelastischen Systems der Mamille und somit zu einer Erektion der Mamillenspitze. Berührungssensoren der Mamille reagieren, wenn das Baby saugt und senden über den 3.–5. Intercostalnerv Signale zum Rückenmark. Von dort gelangt die Erregung ins Gehirn und zwar in den Hypothalamus. Dadurch kommt es zu einer Ausschüttung von Prolaktin aus dem Hypophysenvorderlappen und zu einer Ausschüttung von Oxytocin aus dem Hypophysenhinterlappen. Dies bewirkt eine Kontraktion der myoepithelialen Zellen in den Alveolen und somit den Milchspendereflex (MSR). Diesen Vorgang nützen wir bei der Durchführung der Brustmassage vor dem Stillen.

Weitere Hormone, die das Stillen in den ersten Tagen beeinflussen, sind die Schwangerschaftshormone Progesteron und das humane Plazentalaktogen (hPL). Progesteron ist für das Zellwachstum in den Milchdrüsen verantwortlich, verhindert allerdings den letzten Schritt der Differenzierung der Alveolen, somit kann eine reichliche Milchbildung erst nach dem Absinken des Progesteronspiegels 2–3 Tage postpartum einsetzten. Das hPL, welches ebenfalls von der Plazenta produziert wird, erzeugt eine große Anzahl von Prolaktinrezeptoren und hält diese während der Schwangerschaft besetzt, um die Milchbildung in großer Menge zu verhindern. Nach der Geburt müssen diese Rezeptoren rasch mit Prolaktin besetzt werden, dies erklärt die Wichtigkeit des frühen ersten Anlegens nach der Geburt.

Die Mamille als erogene Zone
Berührung an der Mamille aktiviert am Somatosensorischen Kortex nicht nur die Region des Thorax, sondern auch die Genitalregion. Oxytocin führt zu einer Erektion der Mamillenspitze und zum Auslösen des Milchspendereflexes, aber auch zu Kontraktionen des Uterus.

„3 von 24 Frauen verspüren einen Orgasmus beim Stillen“ berichten die Forscher William Masters und Virginia Johnson (Human sexual response. Bronx, NY: Ishi Press; 2010.xiii, 366pp). Es ist sehr wahrscheinlich, dass es hier aus Gründen von Scham und Schuldgefühlen einen großen nichtberichteten Graubereich gibt. Wir als Fachpersonal sollten wissen, dass es diese Gefühle beim Stillen gibt und sollten Frauen, die sich deshalb schuldig fühlen oder deshalb das Stillen sogar beenden wollen, erklärend zur Seite stehen. Die meisten Frauen, die das Stillen genießen, haben jedoch keine Gefühle, die als sexuelle Erregung interpretiert werden können. Die Auswirkungen des Stillens auf die sexuelle Aktivität können sich einerseits in gesteigertem Interesse als auch andererseits in Libidomangel für 6 Monate oder mehr aufgrund von Erschöpfung, Angst vor neuer Schwangerschaft etc. zeigen. Während des Geschlechtsverkehrs kann es zur Auslösung des Milchspendereflexes kommen, manche Männer empfinden dies als störend – gegebenenfalls können die Brüste vor dem Sex entleert werden.

Erkrankungen der Haut
Jede Hauterkrankung kann auch auf der Mamille auftreten. Bei Psoriasis kommt es z.B. in 55% der Fälle in der Schwangerschaft zu einer Verbesserung der Symptome, allerdings in 65% nach der Geburt zu einer Verschlechterung. Als Therapie gelten Feuchtigkeitspflege, lokale Steroidsalbe (Cortison) und UV-B Bestrahlung. Von oraler Medikation sollte in der Stillzeit abgesehen werden. Auch verschiedene Ekzeme können an der Mamille auftreten, etwa die atopische Dermatitis, bei der es sich um eine Störung der Barrierefunktion der Haut handelt, von der ca. 20% der Bevölkerung betroffen ist. Hier herrscht die Gefahr der Keimbesiedelung durch Candida oder Staphylokokken, die sich zu 48% bzw. zu 50% in der Mundhöhle aller gesunden Neugeborenen befinden. Auch die Allergische Kontaktdermatitis sollte erwähnt werden, deren Auslöser Konservierungs- oder Duftstoffe in Cremen und Feuchttüchern, Lanolin etc. sein können. Oft werden diese wunden Mamillen mit Stillsalbe behandelt, es kommt zu noch mehr Beschwerden, es wird noch mehr Stillsalbe gegeben, ein Teufelskreis entsteht, der nur durch Cortisoncreme, antibiotische oder antimykotische Salbe durchbrochen werden kann. Bei der Kontaktdermatitis nicht-allergischer Ursache können der Speichel des Babys (Speichel des Säuglings ist alkalisch und kann die Mamille irritieren), Seifen (Seifen entfernen den natürlichen Fettschutzfilm der Haut) oder einfach Reibung durch schlechtsitzende BHs der Auslöser sein.

Brustgesundheit – Brustkrebsfrüherkennung
In Österreich erkranken jährlich 5000 Frauen neu an Brustkrebs. Jede Veränderung der Brust wie ein gefühlter Knoten, eine Verhärtung, einseitiger Flüssigkeitsaustritt aus der Brustwarze, Einziehungen der Brustwarze, Lage oder Größenveränderung der Brust etc. gehört abgeklärt. Frauen zwischen 45 und 69 Jahren können sich alle 2 Jahre mit der e-card kostenlos untersuchen lassen, sie werden automatisch schriftlich an die Untersuchung erinnert. Das Brustkrebs- Früherkennungsprogramm verhindert Brustkrebs nicht, aber es erhöht die Heilungschancen, wenn die Erkrankung frühzeitig erkannt wird. Bei 5–10% aller Brustkrebserkrankungen sind die Ursachen genetische Veränderungen und damit vererbbar. Die überwiegende Mehrheit aller Brustkrebserkrankungen ist also nicht auf genetische Ursachen zurückzuführen. Für Personen, bei denen – basierend auf der persönlichen oder familiären Vorgeschichte – wahrscheinlich eine erbliche Veranlagung vorliegt, wird eine genetische Untersuchung angeboten.

BRCA – BReast CAncer Gene 1 und 2 – sind Gene, die jede Frau und jeder Mann von Geburt an trägt. Die Proteine, die nach Vorbild der Gene gebildet werden, besitzen eine wichtige Funktion bei der Reparatur von Zellschäden. Sie sind also daran beteiligt, die Entstehung von Krebs zu verhindern. Eine Mutation in einem dieser beiden Gene, beeinträchtigt die Reparaturfunktion der Proteine. Dies führt zu einer starken Risikoerhöhung an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Betroffenen Personen werden in einem ausführlichen Aufklärungsgespräch verschiedene medizinische Möglichkeiten angeboten: Intensivierte Früherkennungsuntersuchungen, vorbeugende Entfernung der Eierstöcke und/oder vorbeugende Entfernung des Brustdrüsengewebes. Bei der Entfernung des Brustgewebes muss auch jegliches versprengtes Brustdrüsengewebe entlang der Milchleisten und in den Axillen entfernt werden. Wenn während der Stillzeit versprengtes Milchdrüsengewebe bemerkt wird (fällt ja nur dann auf!), sollte bei jeder Mammografie die Radiologin/der Radiologe darauf hingewiesen werden, diese Areale zu untersuchen.

Abschließend ist noch zu sagen, dass sich Lehrmeinungen in der Medizin ändern und somit Empfehlungen, die letztes Jahr noch galten, heute schon massiv hinterfragt werden. Wir sehen dies derzeit bei der aktuellen Diskussion über die Tastuntersuchung der Brust. In der U.S. Preventive Services Task Force, einer unabhängigen Plattform nationaler Experten für Prävention und evidenzbasierter Medizin in den USA, wird die Tastuntersuchung durch den Arzt/Ärztin mit „Negative Effekte überwiegen die positiven – keine Empfehlung“ beurteilt. Ganz anders hingegen der Empfehlungsgrad zum Stillen, dieser wird hoch bewertet – ein erfreulicher Abschluss eines informativen Vortrags.