News Sommer 2019

Hier geht es zur kompletten Ausgabe News Sommer 2019

Neben der Einstellung des Partners und der Familie, spielt auch die Einstellung des medizinischen Personals eine wesentliche Rolle.1) Während die Geburt eines Kindes für Eltern immer eine besondere Situation mit „Eventcharakter“ darstellt, so ist es für Ärzte/innen, Pflegende und Hebammen zumeist normaler Arbeitsalltag.
„Wieder ist dies unbegreifliche Wunder geschehen, Das sich Tag für Tag viel tausendmal vollzieht, Und doch einzig bleibt, mag es auch noch so oft entstehen, Weil das Wunder noch einmal für mich geschieht. Noch einmal darf ich weit in den Saal der Zeiten sehen, Weit über den Lebenshorizont vor mir, Noch einmal darf ich an einer Wiege stehen, Noch einmal in Demut neig’ ich mich zu dir.“
Singt Reinhard Mey in seinem Lied „Fahr’ dein Schiffchen durch ein Meer von Kerzen“ und beschreibt uns dabei auf berührende Weise, wie einzigartig die Geburt eines Kindes für Mutter und Vater ist.
Die hormonelle Situation der Frau während und nach der Geburt ist einzigartig. Situationen, Gespräche und Erlebnisse, die in dieser sensiblen Periode gemacht werden, gehen besonders tief in die Frau ein – im positiven wie im negativen Sinne. Ein achtsamer Umgang und sorgfältig ausgewählte Sprache vermitteln Wertschätzung und Empathie und erleichtern Müttern den Start in eine neue Zeit mit ihrem Baby.
Eine der größten Herausforderungen im multiprofessionellen Team ist es, einheitliche Informationen weiterzugeben. Jede Mutter möchte normalerweise das Beste für ihr Baby. Aber was ist das Beste? Vom Gynäkologen/ Gynäkologin, Hebamme, Pflegepersonal bis hin zum Kinderarzt/ärztin bekommen Eltern eine Vielzahl an, zum Teil sehr unterschiedlichen Informationen. Dies führt zu großer Verunsicherung, besonders wenn Uneinigkeit innerhalb derselben Berufsgruppe oder Abteilung herrscht.

Man sollte meinen, dass evidenzbasiertes Arbeiten in Medizin und Pflege in Mitteleuropa im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit ist. Doch dem ist weit gefehlt! Auch wenn die Studien eine klare Sprache sprechen, es ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, dass Eltern korrekte Information und richtige Anleitung zum Thema Stillen und Ernährung mit Muttermilch bekommen.

Noch immer ist der Großteil einer jeden Berufsgruppe, die mit Schwangeren und Müttern nach der Geburt arbeitet, nicht oder nur unzureichend mit den aktuellen Erkenntnissen vertraut. Noch immer werden Standards nicht eingehalten, noch immer wesentliche Elemente der Stillförderung nicht umgesetzt.
Das führt dazu, dass sich veraltetes fachliches Wissen mit persönlichen Erfahrungen und Ammenmärchen mischt. Auch wenn Stillen ein Thema ist, das in der Gesellschaft polarisiert, ist es wichtig, dass im professionellen Umgang mit Müttern Konsens herrscht. Jede und jeder Einzelne ist gefordert, seine persönliche Meinung hintanzuhalten.

Was können wir also konkret tun, um diese Situation zu verbessern? Hier drei Vorschläge:

1. Arbeiten Sie im Team!
Sorgen Sie für regelmäßigen Austausch und arbeiten sie berufsgruppenübergreifend zusammen! Erstellen und evaluieren Sie regelmäßig Ihre Arbeitsstandards.

2. Machen Sie es wie die Schweiz!
Im Zweifelsfall hilft immer eine neutrale Haltung. Dass eine Mutter mal Dampf ablässt, ist genauso normal, wie dass sie bereits gesagte Dinge wieder vergessen hat. Nehmen Sie es nicht persönlich und denken Sie an guten Schweizer Käse.

3. Erfinden Sie das Rad nicht neu!
Jeder Tag bringt eine neue Situation, trotzdem ist es in der multiprofessionellen Arbeit wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Das bedeutet: Greifen Sie auf Leitlinien und Empfehlungen zurück. Eine gute Quelle hierfür ist das Europäische Institut für Stillen und Laktation (EISL), das auf seiner Internetseite zu zahlreichen Themen fundierte Fachinformation bietet.

Das Motto der diesjährigen Weltstillwoche lautet: „Eltern stärken für das Stillen!“ Tun wir das und versorgen wir sie mit einheitlicher, evidenzbasierter Information, damit sie befähigt sind, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und ihren individuellen Weg zum Stillen zu finden.

1) Lauwers/Swisher 2016, Counseling the nursing mother, Seite 56