News Winter 2018

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Wie wirkt sich mütterlicher Stress in der Schwangerschaft auf das Kind aus: Die Individualität der spezifischen Situation und der beteiligten Menschen ist hier besonders hervorzuheben. Und es gilt vorweg, zwei unterschiedliche Arten von Stress zu unterscheiden: Handelt es sich um eine akute Stresssituation, werden vorwiegend die Hormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Handelt es sich um eine langandauernde Stresssituation („beeing stressed“), kommt es zur Ausschüttung des für die Thematik relevanten Hormons Cortisol. Weiters gilt es, den Faktor „Coping“ in der individuellen Situation zu beleuchten. Sieht die betroffene Frau den Stress als Herausforderung, gar motivierend? Oder resultieren aus dem Stress Gefühle wie Angst oder Machtlosigkeit?

Cortisol
Die Übertragung von Cortisol zum ungeborenen Kind geschieht über die Plazenta. Rund 20% des mütterlichen Cortisols passieren trotz Schutzmechanismus (Umwandlung von Cortisol in Cortison) die Plazenta und gelangen so zum Kind. Dies führt in weiterer Folge zu einer Veränderung der Durchblutung, zum Stress beim Kind und zur Stimulation der fetalen HHNA (Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinde-Achse). Wird diese dauerhaft stimuliert, führt dies zur Hyperaktivität der fetalen Achse und zur Veränderung der Rezeptoren. Dies äußert sich in Folge dessen beispielsweise durch Neugeborene, die in einer „normalen“ stressfreien Umgebung eine Fehlanpassung zeigen.

Eine dauerhafte maternale Stressbelastung und die damit einhergehende Verschiebung der kindlichen HHNA scheint nicht nur Auswirkung auf das Lernen und die Angst des Kindes zu haben, sondern auch die Grundlage für eine Dysregulation des kindlichen Immunsystems darzustellen. So konnte in mehreren Studien ein Zusammenhang von maternalem Stress und dem Auftreten von allergischem Asthma und atopischen Hauterkrankungen beim Kind entdeckt werden. Kinder mit entsprechenden Erkrankungen wurden im Rahmen einer Studie einer Stresssituation ausgesetzt, welche eine signifikante Stimulation der HHNA und des sympatho- adreno-medullären Systems bedeutet: Hier konnte eine Hyporeaktivität der HHNA unter Belastung bei Kindern mit atopischer Erkrankung gefunden werden.

  • Als Präventiv zur Vermeidung negativer Effekte der mütterlichen Stressbelastung können folgende Punkte angeführt werden:
  • Soziale Unterstützung (Einbettung in die Interaktion mit „wichtigen“ Menschen – nicht jede soziale Unterstützung ist für jede Frau gleich gut!)
  • Stressmanagement und
  • Stressreduktion in der Schwangerschaft (hier ist keine allgemein gültige Aussage aufgrund von fehlenden Studienergebnissen möglich!).

Besonders betont sei hier noch der Begriff des „Enriched Environments“: Auf Basis von Tierversuchen konnte festgestellt werden, dass Tierkinder, deren Mütter im letzten Schwangerschaftsdrittel besonderen Stresssituation ausgesetzt wurden, eine fetale Hyperaktivität des Stresssystems zeigten. Nach der Geburt erfolgte eine entsprechend positive Förderung (stressfreie Umgebung, bedürfnisorientiertes Spiel- und Bewegungsangebot etc.). „Enriched Environment“ hebt die durch maternalen Stress induzierten adhäsiven Effekte auf.

Muttermilch
Auch Muttermilch hat protektive Wirkung. So konnte festgestellt werden, dass ein Säugling im Rahmen eines Fersenstiches zur Blutentnahme in etwa gleich viel Cortisol freisetzt wie ein Fallschirmspringer kurz vor seinem ersten Absprung. Selbst wenn die Kinder hier Muttermilch nur riechen, reduziert sich die Stressbelastung im Vergleich zu Kindern, welche andere Beruhigungsmöglichkeiten (Fertigmilch, Glukoselösung) erhalten, deutlich. Stillen als eine Möglichkeit für „Enriched Environment“, neben der bereits bekannten immunologischen Wertigkeit von Muttermilch (siehe Seite 4/5), ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor für die große Notwendigkeit der Stillförderung, gerade auch im Kontext mit stressbelasteten Frauen. Der stressbelasteten schwangeren Frau muss demnach besonderes Augenmerk gelten. Gerade Aussagen wie: „Du sollst dich doch nicht so stressen, du musst dich ausruhen!“ können Frauen erst recht in eine latente Stresssituation, gepaart mit schlechtem Gewissen dem Ungeborenen gegenüber bringen. Vielmehr braucht es einen interdisziplinären Ansatz, welcher hier an der Gestaltung oben genannten Präventivfaktoren mitwirkt, beziehungsweise die Erarbeitung eines individuellen „Enriched Environment“ fokussiert und umsetzt. Die Wertigkeit des Stillens und die stressreduzierende Möglichkeit, welche sich in diesem Kontext durch Muttermilchernährung bietet, müssen im interdisziplinären Diskurs Beachtung erfahren.